Donnerstag, 1. September 2011

Fishbowl Wonderland: Kapitel 2.2




Fortsetzung: Kapitel 2
Fishbowl Wonderland

Von was für eine Freundin Kitamura hier wohl sprach? Ich hatte absolut keine Ahnung das ich immer tiefer in eine Sache verwickelt wurde. Er sagte, er beneide mich für meine Ehrlichkeit und Treue. Bedeutete dies etwa das diese gewisse Freundin eine Geliebte von ihm war? Doch er hatte natürlich recht, Dortmund war keine Option. Vielleicht würde ich ja hier in Düsseldorf ein wenig auf andere Gedanken kommen.
>>Vielleicht hast du recht. Ich möchte mich aber niemandem aufdrängen. Ich hoffe also wirklich das du deine Freundin darüber in Kenntnis gesetzt hast.<<
In diesem Augenblick schien es mir unangebracht zu Fragen in welcher Beziehung er zu dieser Frau stand.
>>Was denkst du denn von mir? Natürlich stimmt die Geschichte die ich dir erzählt habe.<<
Kitamura kramte erneut in seiner Schreibtischschublade und brachte einen Schlüsselbund hervor an denen zwei Schlüssel hingen. Ein Billiken Anhänger schmückte den Bund. Immer noch etwas misstrauisch nahm ich den Schlüssel zum Apartment entgegen. Kitamura hatte wohl vorausgeplant.
>>Ich würde mich jetzt gleich auf den Weg machen. Tut mir leid das ich so abwesend bin. Ich kann all das hier noch nicht so richtig wahrnehmen. Auch dieser Umschlag in meiner Hand fühlt sich keineswegs real an. Wo befindet sich das Apartment?<<
>>Konsul Apartments an der Kö. Ungefähr ein fünfzehn minütiger Fußweg von hier. Das Gebäude grenzt direkt an der Einkaufsstraße. Auf dem Namensschild steht R. Asahi. Es befindet sich im fünften Stockwerk. Es ist Zimmernummer 27.<<

Die Ozean Apartments waren mir kein Begriff. Doch wenn es an der Königsallee lag, musste dies bedeuten das es sich hier um eine wahrlich teure Unterkunft handelte. Ich war jedoch viel zu erledigt um weiter mit Kitamura über die Lage des Apartments zu diskutieren.
>>Danke. Du weißt, dass du das nicht für mich tun musst, oder?<<
>>Weißt du, ich kann hier in Deutschland kaum jemanden als meinen Freund bezeichnen. Doch die Leute aus meinem Kurs sind mir sehr wichtig geworden. Wie eine Familie. Ich glaube ich würde sie bei meiner Abreise aus Deutschland mehr vermissen als meine Frau und meine Tochter die derzeit in Tokio leben. Alessia und du, Leon, ihr seid mir ziemlich wichtig. Und auch ich will es einfach nicht akzeptieren das Alessia nun auf diesem Friedhof verweilt. Es wird noch einiges auf dich zukommen. Und ich möchte es dir zumindest so komfortabel wie möglich machen. Ruh dich aus und schlafe eine Runde.<<
Kitamura stand auf und verabschiedete mich mit einer kräftigen Umarmung.
Danach war es Zeit für mich zu gehen. Doch gerade als ich die Klinke herunterdrücken wollte, sprach Kitamura noch etwas seltsam kryptisches zu mir.
>>Ist es ein abwegiger Gedanke die Welt als ein übergroßes Goldfischglas anzusehen? Und wir sind die Goldfische, die planlos durch dieses endlose Gefängnis schwimmen. Was meinst du, wie viele Leute denken das wohl gerade? Oder haben schon einmal darüber nachgedacht? Seltsame Vorstellung wie ich finde.<<
Auch darauf fand ich keine passende Antwort. Um nicht unhöflich zu erscheinen konnte ich mich doch noch zu einem Satz durchringen.
>>Die Welt mit einem Goldfischglas zu vergleichen klingt irgendwie furchtbar einsam. Ein einsamer Mensch stellt solche Vergleiche auf. Das hätte ich von dir gar nicht erwartet, Kitamura-San. Doch es stimmt. Eine einsame Welt.<<
Kitamura nickte zum Abschied und ich verließ sein Apartment. Die Musik aus dem Wohnzimmer war immer noch zu hören.
Mittlerweile war es später Nachmittag. Die Sonne spuckte nun Feuer und Flammen. Mein Jackett und den Umschlag fest umklammert marschierte ich zur Königsallee mit der Hoffnung das Apartment schnell zu finden. Als ich die Immermannstraße durchquerte und mich der Innenstadt näherte, kam mir eine Gruppe von südländischen Jugendlichen entgegen. Sie waren laut und unterhielten sich in ihrer Landessprache. Als sie mich streiften und an mir vorbei gingen hätte ich einfach drauf los kotzen können. Bestimmt jeder einzelne aus dieser fünf Mann Gruppe hatte sich wahrscheinlich ein komplettes Flacon Pure Man über seine Haare gegossen. Mir war es schleierhaft wie Frauen so etwas anziehend finden konnten. Der Freitagabend näherte sich. Diese Jungs schienen zumindest perfekt darauf vorbereitet gewesen zu sein.
Ich hatte noch nichts gegessen was neben dem penetranten Duft des Pure Man zusätzlich für Magenschmerzen sorgte.
Die Straßen waren belebt und die Menschen schauten schlecht gelaunt drein aufgrund der Hitze. Dennoch war Düsseldorf mir sympathisch. Natürlich empfand ich immer noch grenzenlose Trauer, aber irgendwas hatte diese Stadt an sich was mir Trost spendete. Genau wie Akutagawas Geschichten Kitamura Trost spendeten.

Nach Circa fünfzehn Minuten erreichte ich tatsächlich das Apartment. Es lag in einer Einkaufsstraße direkt an der Königsallee. Es war ein altes Gebäude das auf dem ersten Blick sehr luxuriös erschien. Was ich aber als luxuriös empfand, empfanden die Menschen hier vielleicht nur als gehobene Mittelklasse. Dennoch schindete es Eindruck. Und als Apartments konnte man diese Unterkunft bei so viel Prunk nun wirklich nicht bezeichnen. Ich musste erst durch eine Art Foyer, welches mit einer Bar und Lounge ausgestattet war gehen, bevor ich ins Treppenhaus kam. Bemerkte aber das es im Foyer auch einen Fahrstuhl gab und entschied mich dann doch diesen zu benutzen. Fünftes Stockwerk, Zimmer 27. R. Asahi. Das Zimmer lag am Ende eines langen Ganges. Das ganze Gebäude umgab eine Prestige welche in alten Film Noir Werken zu spüren ist. Ich klingelte und klopfte zuerst, um sicherzugehen das auch wirklich niemand da war. Nachdem keiner aufmachte, und auch keine Laute zu hören waren entschloss ich mich endlich dazu aufzuschließen. Es machte den Anschein das der Billiken Schlüsselanhänger mir dabei ins Gesicht grinste. Als ich die Schwelle zu R. Asahis Apartment betrat, erwischte mich erneut Klitschkos Faust. Dieses Mal prügelte sie mich aber anscheinend noch tiefer in meine Träume als ich es mir je hätte vorstellen können. Vor mir lag eine wahre Luxus Behausung. Ich schloss die Tür hinter mir und musterte jeden einzelnen Winkel. Selbst ohne Kitamuras Information das es sich um eine Freundin von ihm handle, hätte ich sofort herausgefunden das dies die Wohnung einer Frau war. Selbst am Duft vernahm ich es. Bereits Kitamuras kleines Apartment war liebevoll und ordentlich eingerichtet. Doch dies war kein Vergleich zu diesem Anblick. Überall an den Wänden hingen abstrakte, aber schöne Gemälde, der Fußboden war mit einem teuer wirkenden Teppich ausgestattet. Es gab fünf Zimmer. Für eine allein lebende Frau war dieses Apartment viel zu groß. Ich musste mich erst einmal setzen und zur Ruhe kommen. Ich befand mich in der Wohnung einer mir völlig Fremden Frau. Das Wohnzimmer würde mir hoffentlich den benötigten Komfort liefern.
Selbstverständlich war auch das Wohnzimmer luxuriös eingerichtet. Es gab ein riesiges, bequemes Sofa, einen HD-TV Fernseher und sogar eine kleine Bar. Natürlich war sie gut bestückt mit den verschiedensten Alkoholsorten. Ich hatte eine ziemliche Lust mir einen Drink zu mixen. Doch ich wollte einfach nur sitzen. Ich legte meine Mitbringsel an die Seite und lies mich ins Sofa sinken. Es war ein angenehmes Gefühl. Durch eine Klimaanlage wurde mir kühle Luft entgegen geweht. Bei so viel Komfort bemerkte ich das sich mein Körper revanchierte und mir allmählich die Augen zufielen. Ich weiß nicht mehr genau wie lange ich eingenickt war, aber ich kann mich noch genau erinnern das mich das Klingeln eines Telefons wieder weckte. Ich zuckte einmal am kompletten Körper zusammen. Ich nahm nicht ab. Schließlich war dies weder meine Wohnung, noch meine Angelegenheiten. Als keiner antwortete meldete sich die weibliche Stimme eines Anrufbeantworters:

Sie sind verbunden mit einem Anrufbeantworter. Bitte sprechen sie ihre Nachricht nach dem: PIEP

Das PIEP kam eindeutig von einer schrillen, quirligen Frauenstimme. Vermutlich Frau Asahi. Eine Männerstimme ertönte anschließend die aufs Band sprach:

Verdammt Fucking gute Nachrichten, Rinko. Der Artikel wird gedruckt. Breyer ist mirnso tief in den Arsch gekrochen das es selbst mir unangenehm wurde. Und du kennst mich ja, mir ist eigentlich nie etwas unangenehm. Call mich wenn du wieder da bist. Schönes Wochenende, Klaas.

Dämliche Ausdrucksweise, Gebrauch von Anglizismen und dazu auch noch eine nervige Stimme. Nach seiner Nachricht war es mir nicht mehr möglich einzuschlafen. Sie hieß also Rinko. Bisher hatte ich noch kein Bild von ihr entdeckt, geschweige wusste ich ihr Alter oder ihren Beruf. Zumindest schien sie viel Geld damit zu machen sich mit Idioten wie dem Spinner am Telefon abzugeben. Ein genauerer Blick auf dem Schreibtisch machte mich Neugierig. Dort war lag ein Briefumschlag, gelehnt an eine Blumenvase. Ich begutachtete diesen Briefumschlag. Dort stand in Schönschrift mein Name drauf. Leon. In dem Briefumschlag befand sich eine Kondolenzkarte und ein handgeschriebener Brief. Ich begann zu lesen:

Hallo, Leon. Makoto-Kun bat mich dir ein Quartier fürs Wochenende zu organisieren. Er konnte nur noch nicht zustimmen ob du auch wirklich übers Wochenende hier in Düsseldorf bleiben willst. Ich habe mich daher entschieden dir mein Apartment so lange zu überlassen. Falls du also wirklich geblieben bist, und das hier liest, sei mein Gast. Bediene dich am Kühlschrank oder an der Bar. Bitte trink mir aber nicht den guten Hennesy und den zwanzig Jahre alten Glenfiddich leer.
Dazu möchte ich dir mein Mitgefühl zu deinem Verlust mitteilen. Ich kannte weder deine Verlobte, noch kenne ich dich, doch Makoto-Kun hält viel von dir und erzählte mir die ganze Geschichte. Machs dir gemütlich und hab ein ruhiges Wochenende. Übrigens, Makoto sagte mir das du den Laptop benutzen sollst der in meinem Arbeitszimmer steht. Er ist nicht Passwort geschützt, aber richte dir Bitte ein Gastkonto ein. Ich hoffe das wir uns einmal persönlich kennenlernen.
Gruß, Rinko.

Eine sehr gastfreundliche Person diese Rinko. Doch sie vertraute Kitamura. Seine Worte schienen anscheinend auch auf Rinko eine magische Wirkung auszuüben. Einem Fremden hätte sie nie so einfach Zugang zu ihren Heiligtümern gewährt. Egal was Kitamura sagte, sie wusste das sie sich absolut auf seine Worte verlassen konnte.
Ich setzte mich zurück aufs Sofa. Nun war der Moment gekommen an dem ich Alessia Dokumente lesen würde. Was würde sich wohl darin befinden?
Behutsam öffnete ich den Briefumschlag. Dort drin befanden sich lediglich zwei DIN-A4 Blätter und ein Foto. Zuerst nahm ich mir die zwei Blätter vor. Beide waren am Computer verfasst worden. Typisch für Alessia, mit ihrer eigenen Handschrift war sie nie wirklich zufrieden. Dies machten Briefe von ihr natürlich unpersönlicher weil sie lediglich an einem Computer entstanden sind. Auf einem Blatt war viel Text zu sehen. Auf dem anderen Blatt war lediglich eine Internetadresse abgedruckt. Beide Dokumente waren mit Zahlen gekennzeichnet, was also bedeutete das ich chronologisch vorgehen musste. Bei gerade mal zwei Zetteln natürlich kein Problem. Doch fragte ich mich was Kitamura schon vor solch ein Rätsel gestellt haben könnte das er damit nicht fertig wurde. Bevor ich zu lesen begann zog ich das Foto aus dem Umschlag. Es war ein Selbstportrait von Alessia. An ihrer Frisur erkannte ich das es älter gewesen sein musste. Doch wer bediente die Kamera? Und wo befand sie sich eigentlich? Sie saß auf großen Steinen. Hinter ihr was das Meer zu erkennen. Es war ein schönes Foto welchem man eine gewisse Melancholie nicht absprechen konnte. Dazu löste es in mir Fernweh aus.
Während ich das Foto betrachtete fingen meine Hände zu zittern an. Alessia sah mir direkt in die Augen.


Wird fortgesetzt.

1 Kommentar:

  1. Irgendwie finde ich es lustig, wenn ich deine Texte lese habe ich das gleiche Gefühl wie wenn ich Texte von mir nach längerer Zeit noch einmal lese. Ich frage mich ob das wohl daher kommt weil sich unsere Stile ähneln?
    Ich bin auf jeden Fall gespannt was wohl auf dem vollgeschriebenen Zettel steht..
    Lg

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